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Vorhalt

Ein Vorhalt ist ein Ton in einer Dissonanz, durch dessen Fortbewegung im Sekundschritt bei gleichzeitigem Liegenbleiben der restlichen Stimmen ein Übergang in eine Konsonanz erfolgt.

 

Der Vorhalt hat folgende harmonischen, rhythmischen und melodischen Merkmale: Harmonisch gesehen folgt der Dissonanz eine Konsonanz, die bereits in der Dissonanz enthalten ist. Im obigen Beispiel ist die Dominante in der Dissonanz enthalten.

 

Rhythmisch gesehen handelt es sich um einen Harmoniewechsel im Takt. Der Vorhalt liegt daher an der betonten Stelle.

 

Melodisch gesehen handelt es sich um eine Sonderform des ungleichzeitigen Fortschreitens. Die gemeinsamen (zum Beispiel dominantischen) Bestandteile von Dissonanz und nachfolgender Konsonanz erscheinen als liegen bleibende Töne, während die Vorhaltnote im Sekundschritt fortschreitet.

 

Betrachtet man das obige Beispiel genauer, so sieht man, dass durch den Übergang von der dominantischen Dissonanz in die (konsonante) Dominante die harmonische Spannung, die in der Dissonanz liegt, zumindest soweit aufgelöst wird, dass sie nicht mehr im Klang selbst enthalten ist. Nun existiert nur noch die Spannung in der Abfolge von Subdominante und Dominante, welche durch die Tonika aufgelöst wird. Die Dissonanz wird also sukzessive aufgelöst.

 

Da die Dominante bereits in der Dissonanz enthalten war, erscheint ihre Befreiung von ‘außerdominantischen Zutaten’ als Zurückführung des Taktinhalts auf seinen eigentlichen harmonischen Kern. Obgleich die Dominante ein (eleganter) Umweg bei der Auflösung der Dissonanz in die Tonika ist, erscheint umgekehrt die Dissonanz als Umweg in der Abfolge von Subdominante und Dominante. Es entsteht von daher der Eindruck eines verzögerten Auftretens der Dominante - oder bei melodischer Betrachtung: einer Verzögerung in der Fortbewegung einer Stimme. Wie einem die Sache vorkommt, das darf eine einfältige Harmonielehre ohne Umschweife für bare Münze nehmen und der Bestimmung des Vorhalts zugrunde legen: Der ist dann ein im „... oberen oder unteren Sekundabstand verzögerter Eintritt eines Akkordtones“ (Einführung in die funktionale Harmonielehre von Christian Köhn [24.1.2010])

 

Wenn der Vorhalt das Eintreten des „Akkordtones“ verzögert, wird er auch selbst gar nicht mehr als Akkordton aufgefasst: Er hat keinerlei harmonische Identität, er ist schlichtweg „akkordfremd“: "Vorhalte sind akkordfremde Noten, die die benachbarte akkordeigene Note ersetzen.“ (Info-Pool Multimedia und Musikunterricht [24.1.2010])

 

Diese Vorstellung entspricht ganz der Riemannschen Funktionenlehre: Diese befindet in ihrer harmonischen Deutungskunst über die Zugehörigkeit der Töne zu dem Akkord, den sie bilden. Dass ein Ton ungeachtet dessen, dass man ihn hört, angeblich nicht zum Ensemble der erklingenden Töne (= Akkord) dazugehört, ist die eine Sache. Hinzu kommt, dass er angeblich auch nicht das ist, was er ist: Er „ersetzt“ einen anderen Ton. Seit Riemann werden Töne als Platzhalter, Stellvertreter und Funktionäre von anderen Tönen gedeutet. Im Falle des Vorhalts soll der nachfolgende Ton der eigentlich gemeinte Ton sein, der Vorhalt selbst nur sein kläglicher Ersatz. Was den Vorhalt nach dieser Theorie ausmacht, ist seine Abweichung vom angeblich eigentlich gemeinten Ton. Der Vorhalt wird in der funktionalen Harmonielehre ganz analog zur Fiktion des alterierten Akkords abgehandelt.

 

Die Fortsetzung des obigen Zitats führt die Absurdität eines eigentlich gemeinten Tons noch weiter und fasst sie in die Vorstellung einer „Zielnote“: „Der Vorhalt liegt auf einer betonten Taktzeit und löst sich auf der folgenden Taktzeit mit einem Sekundschritt in die Zielnote auf." (IPMM)

 

Die auflösende Wirkung beim Übergang zur Dominante wird hier nicht der in der Dissonanz liegenden Spannung zugeschrieben, sondern der Vorhaltsnote selbst, die als Ton angeblich eine geheimnisvolle melodische Zielgerichtetheit entwickelt. Diese Vorstellung entspricht ganz der Illusion, die sich um das Konstrukt eines Leittons herum gebildet hat. Dass es den Vorhalt nur wegen des beschriebenen Übergangs zu einer Konsonanz gibt, wird völlig ignoriert, wenn so getan wird, als ob schon vor diesem Übergang feststünde, dass er kommen muss. Fachbegriff aus dem Bereich Musik.


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