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Neapolitaner

Musiklehren und Musiklexika machen ihr Publikum gewöhnlich mit einem Phänomen bekannt, das sie „alterierte Akkorde“ nennen und etwa so vorstellen:

„Alterierte Akkorde, seit H. Riemann die Bezeichnung für solche Klänge innerhalb des funktionalharmonischen Systems, in denen einer oder mehrere Töne eines ursprünglich leitereigenen Akkords chromatisch verändert sind...“ (Riemann Musiklexikon, Sachteil, Mainz 1967)

 

Das Wort „ursprünglich“ ist hier nicht zeitlich gemeint, wie es bei der Alteration angebracht wäre, wo infolge der Modulation eine Veränderung mit den Stufen vor sich geht. Vielmehr ist hier von einem logischen Ursprung die Rede: Der „leitereigene Akkord“ soll angeblich das sein, was dem „alterierten Akkord“ zugrunde liegt; er soll sich zum „alterierten Akkord“ ungefähr so verhalten wie die reine zur temperierten Quinte. „Leitereigen“ sind nach dieser Theorie nicht ohnehin alle Töne in einer harmonisch bestimmten Musik, sondern nur diejenigen Töne, die zum Tonbestand der Tonart gehören, in der ein Musikstück notiert ist. Die Alteration wird also nicht als melodische Erscheinungsform der Modulation begriffen, sondern für eine Variation innerhalb einer Tonart gehalten. Die Harmonien werden dabei nicht nach ihren Tönen beurteilt, sondern nach den Stufen, auf denen Töne liegen können. Töne, in denen sich die Tonarten unterscheiden, sollen dann etwas miteinander zu tun haben, nur weil sie auf der gleichen Stufe liegen.

 

Die Funktionentheorie hat sich durch ihre Ignoranz gegenüber der Modulation eine hübsche Kollektion von alterierten Akkorden zugelegt. Ein Beispiel ist der "Neapolitanische Sextakkord":

 

"Neapolitanischer Sextakkord, Neapolitaner – alterierter Sextakkord der 2. Stufe (Mollsubdominante) mit kleiner Terz und kleiner Sexte; z. B. in C-dur: f as des" (Musik-Glossar [24.1.2010])

 

Der Sache nach wird die Tonart C-Dur mit dem Klang f-as-des verlassen, und zwar mit einer indifferenten Scheinkonsonanz, die zum Beispiel mit der Klangfolge e-b-c und f-as-c nach f-Moll aufgelöst werden kann (aber nicht muss). Interpretiert man jedoch alle 12 Töne als Tonbestand von C-Dur (und gerechterweise von jeder anderen Tonart), so erhält man die merkwürdigsten C-Dur-Akkorde, die man mit eigenen Namen versehen kann, und jegliche Modulation löst sich in Luft auf. Fachbegriff aus dem Bereich Musik.


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